Dienstag, Januar 31, 2006

Putin und die Dominotheorie

Der aufmerksame Peqblogleser müsste vertraut sein, mit der Kosovo-Dominotheorie.
Heute referiert niemand geringeres als Vladimir Vladimirovic Putin, Präsident der Russländischen Föderation, zu diesem Thema.

Putin klärte mit seinem Außenminister Sergej Lavrov den russischen Standpunkt beim bevorstehenden Treffen der Außenminister der Balkankontaktgruppe, welche sich eben auch mit den beginnenden direkten Verhandlungen über den zukünftigen Status des Kosovo befassen wird.

Die Lösung des Kosovokonfliktes sei für Russland nicht nur vom Standpunkt der völkerrechtlichen Prinzipien von enormer Wichtigkeit, sondern vor allem wegen praktischer Interessen im postsowjetischen Raum. Deswegen solle für den Kosovo eine Lösung mit universellem Charakter gefunden werden, da viele Konflikte im postsowjetischen Raum noch ungelöst wären.

Lavrov bestätigte, dass die russische Seite diese Position vertreten werde und fügte hinzu, dass im Vorfeld der Verhandlungen einige Partner aus der Kontaktgruppe versuchten in einem gemeinsamen Dokument die These zu vertreten, dass die Lösung des Kosovokonfliktes einmalig und kein Präzedenzfall werden soll.

Putin antwortete darauf, dass diejenigen eine einmalige Lösung suchen, die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechtes umgehen wollen. Die letzten Jahre hätten gezeigt wohin diese Praxis führe.

Beide konstatierten, dass eine Lösung im Interesse Belgrads und der Kosovoalbaner sein müsse und dass die bevorstehenden Verhandlungen schwierig werden, weil die Kosovoalbaner momentan auf eine Unabhängigkeit der Provinz drängen, was sich von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates unterscheide.

Putin stellt somit explizit fest, dass eine Unabhängigkeit des Kosovo auch Folgen für andere Teile der Welt hätte, eben auch für das so genannte „Nahe Ausland“ und somit Interessensphäre Russlands. Deshalb beharrt er auf Einhaltung internationaler Prinzipien. Gerade deswegen scheinen die Kosovoverhandlungen spannender zu werden, als von vielen westlichen Beobachtern vermutet, die einhellig von einer Unabhängigkeit der südserbischen Provinz ausgehen.

Zudem bleibt abzuwarten, wer sich, nach dem Tod Ibrahim Rugovas, auf Seiten der Kosovoalbaner als Kosovopräsident und Delegationsführer durchsetzen wird. Denn trotz aller unterschiedlichen Bewertungen zum Albanerführer - in einem Punkt stimmen wohl viele überein. Dass es sich bei Rugova doch um einen gemäßigten (nationalistischen) Führer handelte.
Die Bezeichnung Gandhi des Balkans finde ich trotzdem falsch, da Rugova aus PR-opportunistischen Gründen selbst keine Gewalt anwenden wollte, ihn das aber nicht hinderte den Westen und die Nato aufzufordern, für die Unabhängigkeit der Kosovoalbaner mit Waffengewalt zu kämpfen. Der Mann wollte sich einfach selbst aus PR-Gründen die Hände nicht schmutzig machen. Es gibt noch andere Punkte, die diese Opportunität belegen.
Wichtiger erscheint mir aber, dass er trotz alledem ein gemäßigter Führer war und nun die Frage ist, wer seine Nachfolger wird.

Außer dem Herausgeber der kosovoalbanischen Tageszeitung Koha ditore, Veton Surroi, der in meinen Augen moderater als Rugova selbst ist, haben gemäßigte Kräfte wohl keine Chance das Präsidentenamt zu übernehmen. In einem Monat sollten wir mehr wissen.



Da ich seit langem wieder etwas über meinen geliebten Balkan schreibe, verdient auch das Interview mit Christian Schwarz-Schilling, der heute dass Amt des Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina übernommen hat, Beachtung.

Der 75jährige Schwarz-Schilling, der 1992 als Postminister zurücktrat, weil ihm Helmut Kohls Bosnienpolitik nicht radikal genug war, wird in deutschen, aber nicht nur diesen Medien zurzeit als Balkankenner gelobt. Vergessen sind wohl seine antiserbischen Eskapaden zu Anfang des Bosnienkrieges, vor allem die Märchen von serbisch-mengelschen Versuchen an muslimischen Frauen.

Hier dazu ein Interview mit Johann Becker vom Marburger Institut für Friedensforschung. (in Zeit-Fragen Nr. 46, Artikel 8 vom 21.11.2005)

„- Aber Herr Becker, dessen Amtszeit [Paddy Ashdown] endet doch, heisst das, dass danach was Neues kommen muss?

- Ja, danach kommt was Neues. Wir kommen vom Regen in die Traufe. Der neue Hohe Repräsentant wird vermutlich Christian Schwarz-Schilling heissen. Und Herr Schwarz-Schilling, ich möchte daran erinnern, ist der Mensch, der die Sage von Mengeles serbischen Erben, so wurde damals in der Presse tituliert, erfunden hat. Er hat damals die Mär in die Welt gesetzt, die Serben hätte gefangenen Muslimen Hundeföten eingepflanzt. Er hat bis heute keine Beweise dafür gebracht, das heisst, das war eine Mär…“

Dieser Mann ist nun dazu auserkoren worden, die Bevölkerungsgruppen in Bosnien-Herzegowina zusammenzuführen. Doch nun zu seinem Interview mit der Süddeutschen Zeitung:

Er stellt fest, dass sich Serbien damit abfinden müsse, dass die serbische Republik (Republika Srpska) eine Region Bosniens sei und kein Faustpfand Serbiens für die Verhandlungen über den Kosovo. Zudem argumentieren nur diejenigen, die eine Weiterentwicklung Serbiens blockieren wollen, damit, dass sich die serbische Republik von Bosnien loslösen könnte, falls das Kosovo unabhängig würde. Des Weiteren müsse sich die serbische Republik an den Verfassungsreformen beteiligen.

So, Scharz-Schilling und nicht die serbische Bevölkerung in Bosnien entscheiden, was die serbische Republik in Bosnien will. Zudem scheint sich der „Balkankenner“ nicht so sehr mit der politischen Landschaft Serbiens auszukennen, da er sonst wüsste, dass jede wichtige und größere Partei, egal welcher Couleur wie folgt argumentiert:
Wenn Selbstbestimmungsrecht der Völker, dann für alle!
Interessant ist auch, dass nicht ein vom Volk gewähltes Parlament oder das Volk selber entscheidet, ob eine Verfassung geändert werden soll, sondern der Hohe Repräsentant der Serbenrepublik vorschreibt, dass sie es tun muss!

Erschreckend war allerdings sein Statement zu den in Bosnien befindlichen (und mit bosnisch-muslimischen Frauen verheirateten) Mudschaheddin. Während diese für die westlichen Geheimdiensten seit längerem ein Dorn im Auge sind und man befürchtet, dass Bosnien-Herzegowina zu einem europäischen Rückzugsort und Schleuse für islamistische Terroristen geworden ist oder es wird, stellt der ehemaligen Postminister fest, dass Mudschaheddin sein qua defitionem nicht bedeutet, dass jemand Extremist sei. Denn die Mudschaheddin hätten in der bosnischen Armee ordentlich mitgekämpft und nie Methoden des Terrorismus ausgeübt.

Köpfe abschlagen und sich damit, wie im Irak fotografieren lassen (sprich es gibt im Gegensatz zu anderen Behauptungen eine Dokumentation) ist also in seinen Augen ordentlicher Kampf, weswegen sie wohl auch zu unrecht auf Guantanamo landen.

Diese Sichtweise des Balkankenners von serbischen Mengeles und ordentlich kämpfenden Mudschaheddin ist doch mehr als aufschlussreich und wir können auch gespannt verfolgen, wie er Bosnien-Herzegowina vor allem durch dieses Jahr der Entscheidungen führen wird.

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