Mittwoch, Januar 18, 2006

Vorgekautes, moralisierendes Informationsfastfood

Viel (Positives) wurde in der deutschen Presse über Angies erstem offiziellem Besuch Moskaus geschrieben. Wie beurteilen jedoch die Medien des Gastgebers Merkels Auftritt?

Der Atomstreit mit dem Iran, die Verteidigung der Ostseepipeline und das russische NGO-Gesetz. Nebenbei erwähnen einige Blätter, dass Tschetschenien angesprochen worden ist, aber eher fürs Protokoll. Für uns interessanter ist vielleicht, was unsere Medien vergasen uns mitzuteilen.

Putin sei wohl getroffen worden von Merkels Interview im Spiegel, in dem sie von den gemeinsamen Werten (illegale Angriffskriege? Guantanamo? Folter?) mit den USA und der deutsch-amerikanischen Freundschaft schwärmt und im Falle Russlands ihr nur die Bezeichnung "strategische Partnerschaft" einfällt (Wir brauchen Enegrie, sie brauchen Devisen und Kapital).
Nur um das klar zu stellen. Ich fand den antiamerikanischen Kurs Schröders für sehr gefährlich und falsch. Zudem hat Angela eben bei ihrem letzten Abstecher in die USA mit G.W.B. auch über Differenzen gesprochen.
Ob wir momentan in der Außenpolitik die Werte der USA wirklich teilen, wage ich zu bezweifeln, außer vielleicht Frau Merkel, die ja damals, zur Zeit des Gerdschen antiamerikanischen Friedensmachtgrößenwahns in die USA eilte, um dem George W. *$%&*§$& Vaseline hat sie bestimmt mitgenommen. Doch zurück zu Russland und dem für uns Deutsche schwierigem Thema der NGOs. Ich zitiere einfach einmal eine russisches Blatt:

„Putin und Merkel erblickend fingen die deutschen Journalisten besorgt an über die Zukunft des Gesetzes zu fragen.
- Uns ist es sehr angenehm, schmunzelte Putin, dass sich unsere innere Gesetzgebung einer solchen Aufmerksamkeit durch die Journalisten erfreut.
Es scheint, er sagte das so, dass die deutschen Journalisten nicht einmal die Ironie spürten. Putin erklärte ihnen, dass der Gesetzesentwurf Experten in Straßburg vorgelegt worden sei. Gegen Straßburg fanden die Deutschen kein Argument. Ins Schwarze getroffen, wie man sagt.

Er erinnerte die Deutschen, dass sich Russland in einer Übergangsperiode befindet. Und wenn man mit Verstand und sachlich herangeht, ist der Fortschritt sichtbar. In den westlichen Staaten sei doch auch nicht alles in Ordnung was Demokratie und den Menschenrechten anginge, bemerkte Putin.“

Übrigens, es war zu lesen, dass Merkel eine übersetzte Frage, trotz ihrer Russischkenntnisse nicht verstand und Putin als Dolmetscher eingriff. Falls es jemanden interessiert – es ging um die letzten CIA-Affären und den Geheimgefängnissen in Europa. Putin habe sie allerdings hier dann in Schutz genommen.

Da jeder deutscher Kommentator und Journalist auch Kenner der russischen Gesetzgebung ist und bestimmt nicht unbegründet das NGO-Gesetz kritisiert, dachte ich, ich gebe auch meinen Senf ab in Form von „Mal sehen, was die andere Seite dazu schreibt“:

„Tschaika [Jurij Cajka, Justzminister] berichtete, er habe mit dem Generaldirektor der Rechtsabteilung des Europarates Gui de Wellem und dem Menschenrechtskomissar Alvar Hil-Robles gesprochen. In einem umfangreichen Rechtsgutachten und einem Begleitschreiben schätze der Europarat das russische NGO-Gesetz als im Grundsatz "den europäischen Rechtsnormen entsprechend" ein. Russland habe das Recht, die Tätigkeit und Finanzierung von gesellschaftlichen Organisationen per Gesetz zu regeln. Tschaika unterstrich, dass Russland das souveräne Recht habe, zu kontrollieren, wer auf seinem Territorium "investiere" und was mit diesem Geld geschehe.

Den meisten russischen Nichtregierungsorganisationen droht eine obligatorische Neuregistrierung. Vor allem die Arbeit ausländischer Stiftungen würde nach einem Inkrafttreten drastisch erschwert werden. Die betroffenen Organisationen gehen davon aus, dass die wahren Motive für die Initiative darin bestehen, dass die russische Führung um jeden Preis versuchen will, einen Umsturz nach ukrainischem oder georgischem Vorbild in Russland zu verhindern.“
Aus: http://www.aktuell.ru

Ich empfehle hierzu den SPIEGEL Nr. 46 / 14.11.2005 zu lesen.

Hier werden leider nur US-Organisationen zur Förderung der Demokratie in der Welt wie „Freedom House“, „International Republican Institute“, „National Democratic Institute“, „National Endowment für Democracy“ und vor allem die zum ungarischstämmigen Investmentbanker und Milliardärs George Soros gehörende „Soros Foundation“ und „Open Society Institute“ vorgestellt.
Trotzdem zeigt der lange Hauptartikel die Rolle dieser Organisationen bei den letzten Umstürzen im ehemaligen Ostblock (Serbien, Georgien, Ukraine…) auf.

Leider wird diese Rolle vieler NGOs in der Kritik über das NGO-Gesetz nicht erwähnt. Wenn man die Arbeit dieser NGOs aus diesem Blickwinkel betrachtet ist es vielleicht all zu verständlich, dass der Staat sich davor schützen möchte. Wie soll man nun den Vorgang bewerten, dass selbsternannte journalistische Moralaposteln uns einen der Teil der Informationen vorenthalten und des Öfteren einmal aus Mücken Elefanten produzieren.

Ist es nicht vorwiegende Aufgabe eines Journalisten so objektiv es geht zu berichten und uns mit Informationen zu füttern, anstatt die Informationen selbst durchzukauen und uns dann ihr moralisierendes Ausgespucktes vorzuwerfen?

Jeder erzählt uns, dass das Gesetz schlecht sei, dass Putin die Demokratie und Zivilgesellschaft (oh, ein schönes Wort übrigens) im Keime ersticken möchte – aber was genau im Gesetz und seiner abgeänderter Form drinnen steht erfahren wir nicht. Wir erfahren auch nicht, dass das Gesetz vom Europarat geprüft worden ist. Über die zwielichtige Rolle einiger NGOs in Staaten des ehemaligen Ostblockes muss man auch lange suchen.

Aber, wieso sollte man als Auslandskorrespondent denn sich auch die Mühe machen dem heimischen Publikum die ganze Thematik zu erklären? Denn dieses will doch auch nur Informationsfastfood.

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