Mittwoch, Januar 11, 2006

Peqair - oder - Eine gedankliche Reise von Hattusa nach Warschau

Bei Abschluss des Friedenvertrags von Hattusa, zwischen Hattusili III. von Hatti und dem Pharao Ramses II. von Ägypten vor ca. 3250 Jahren, dem ältesten überlieferten paritätischen Staatsvertrag mussten sich beide Herrscher Gedanken machen, wie mit diesem Dokument, ja eigentlich neuen Medium umgegangen werden soll. Schließlich hatte die Welt bis dahin keine Erfahrungen mit paritätischen Staats- oder gar Friedensverträgen gemacht. Wer den anderen platt macht, hat Recht. So einfach war Politik einmal. Doch nun merkte man, dass das Plattmachen doch nicht so einfach geht, wenn beide gleich stark sind und es manchmal für beide sinnvoller ist, mit dem Plattmachen aufzuhören. Eine Rational-Choice-Entscheidung, denn die negativen Auswirkungen überwogen doch die positiven.

Also vereinbaren die beiden göttlichen Herrscher, dass nun Friede herrsche. Doch, wie macht man das? Nur die Hand geben? Im Orient reicht das nicht, vor allem, wenn der Friede ewig dauern soll. Ja die Ewigkeit stellt auch ein Problem dar. Zwar sind Großkönig und Pharao göttlich, aber aus eigener Erfahrung weiß man, dass einen orientalischen Herrscher schnell das zeitliche, auch durch Verwandte segnen kann. Also musste der Frieden dokumentiert werden und er musste für die Gegenwart und Vergangenheit zugänglich sein, damit auch alle immer wissen, dass ewiger Friede herrsche zwischen beiden Herrschern.

Es wurden also viele neue Mechanismen geboren, die wir heute als selbstverständlich erachten. Der Frieden wurde schriftlich dokumentiert, der Vertrag wurde archiviert und jährlich vorgelesen. Die Nachwelt konnte und sollte teilhaben an ihm. Der moderne Historiker verdankt dieser Praxis seine Arbeit. Was wäre die Welt ohne Quellen. Und seit jeher ist nun mal vor allem das spannend, was in Herrscherhäusern passiert, ist Politik spannend, ist Macht einfach spannend. Doch irgendwann stellte der Staat fest, dass es Sachen gibt, die sein Volk nichts angehen. Er hat Geheimnisse. Heute heißt es immer, es ginge um die Sicherheit.

Wie gehen nun demokratischen und wie gingen so genannte volksdemokratische Staaten mit Staatsgeheimnissen um?

Die Macht geht vom Volke aus bzw. der Ursprung aller Macht liegt bei ihm. Aber sie ist nicht mehr beim Volk. Wir geben ja unsere Macht weiter an die, die es besser machen können oder es überhaupt machen wollen. Nun ja, auf jeden Fall wurde jenen (Institutionen), die nun die Macht haben (und von uns geliehen haben) bewusst, dass es da, trotz aller Staatsgeheimniskrämerei eine Verantwortung dem Pöbel, pardon Volk gegenüber gibt, diesen auch über fast alles zu unterrichten, was in seinem Namen geschieht.

Somit auch über geheime Dokumente.
Um aber die Staatssicherheit nicht zu gefährden bedarf es bestimmter Mechanismen. Beispielsweise einen bestimmten Zeitraum, in dem die Akten öffentlich nicht zugängig sind. Da es hier um so heikle Sachen, wie eben die Sicherheit geht, ist es in allen Staaten Usus, dass Akten dann geöffnet werden, wenn man ausgehen kann, dass eine Politikergeneration nicht mehr auf Erden weilt. 30 Jahre, 50 Jahre. Je nachdem. Natürlich rein zufällig. Ein Schelm, der böses denkt.

Interessanterweise verbleibt der Großteil der geheimen US-Dokumente aus der Zeit des 2. Weltkrieges auch weiterhin unter Verschluss. Wie auch viele britische Dokumente für längere Zeiten nicht zugänglich sein werden. Erst vor einigen Tagen wurden die als streng geheim eingestuften Protokolle des Kriegskabinetts unter Churchill 1942-45 veröffentlicht. Über 60 Jahre durften die Dinger staub ansammeln und Historiker aus aller Welt mit ihnen nicht arbeiten.

Passend dazu öffnet Polen nun das Archiv des Warschauer Paktes und dass obwohl bei der Auflösung des östlichen Militärbündnisses vereinbart worden ist, dass die Unterzeichnerstaaten die Dokumente keinem Dritten zugänglich machen werden und sie weiterhin geheim bleiben sollen.
Hingegen ist Polens 42 Jahre junger und jung im Amt befindliche Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski der Ansicht, dass das Abkommen über Geheimhaltung nie in Kraft getreten sei, da ihm der polnische Sejm (Parlament) nie zugestimmt habe. Zudem handele es sich hier um ein geschlossenes Kapitel der Geschichte, das für Historiker von Interesse sei.
Solch eine Einsicht fehlt wohl seinen US-amerikanischen bzw. britischen Kollegen oder ist dort der 2. Weltkrieg noch kein abgeschlossenes Kapitel?

Die Polen erhoffen sich Licht ins Dunkel ihrer neuesten Geschichte zu bringen.
Welche Rolle hatte der Warschauer Pakt bei Niederschlagung des Danziger Arbeiteraufstandes? War Jaruzelski ein Vaterlandsretter oder Gehilfe der Sowjets, als er das Kriegsrecht ausrief?

Fragen, die Polen spalten und brennend interessieren. Allerdings zeigt die Aufarbeitung von Besatzungszeiten, dass Polen noch weit entfernt zu sein, seine eigene Geschichte aufzuarbeiten. Um hier einige Aspekte zu nennen: die Glorifizierung der Polnisch-Litauischen Adelsrepublik, „großpolnische“ Außenpolitik und der Kult um die Schwarze Madonna von Tschenstochau, der Königin Polen, auch in der Solidarnosc.

Obwohl es momentan den Anschein hat, dass in Warschau nur ein Teil der Dokumente des Warschauer Paktes liegen (die sowjetische Militärführung scheint den Polen wohl damals schon nicht gertraut zu haben) werden die russisch-polnischen Beziehungen wieder einmal frostiger. Die Russen werfen den Polen vor, dass sie dadurch wieder einmal versuchen, die Sowjetunion als Unglück Polens und Europas darzustellen. Dazu würde passen, dass z.B. der Verteidigungsminister Sikorski es niemals verhehlte ein Antisowjetschik zu sein. In Polen weist man darauf hin, dass Putin den Untergang der Sowjetunion als Katastrophe bezeichnet habe. Egal, wie man es dreht und wendet – neuer Zündstoff in den Beziehungen zweier (slawischer Bruder-) Länder.

Ich hoffe Sie beehren uns wieder, wenn wir wieder einmal mit Peqgeschwindigkeit durch 3000 Jahre Geschichte reisen, wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und schönen Tag.
Auf Wiedersehen.

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