Dienstag, März 14, 2006

Slobo und ich II: Mythen und Wahrheit. Am Zenit der Popularität

Der Kosovomythos. Eigentlich ist es nicht ein Mythos, sondern ein Mythenkomplex, um die Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) am St. Veittag, dem serbischen Schicksalstag, 28. Juni1389, indem sich viele biblische Momente wieder finden und aus dem heraus, verbunden mit anderen geschichtlichen Ereignissen (wie z.B. die große Auswanderung aus dem Kosovo 1690) in dem balkanischen Mythos kulminiert, dass die Serben das „himmlische Volk“ sein – das Volks Israel des Neuen Testaments, welches sowohl das Schicksal der Juden, als auch den Leidenweg Christi auf Erden durchleben muss.

Das meinen Journalisten, wenn sie vom serbischen Opfermythos reden. Die geschichtlichen Ereignisse sind eben z.B. diese verlorene Schlacht gegen die Osmanen 1389 und damit einhergehend das Ende der mittelalterlichen serbischen Staatlichkeit, das „osmanische Joch“, der Auszug aus dem Kosovo, v.a. im Jahr 1690, der beiden Weltkriege (im 1. WK hatten die Serben prozentual die meisten Opfer mit ca. 25% Tode der Gesamtbevölkerung / im 2. WK v.a. der Vernichtungskrieg gegen die Serben im klerikal-faschistischen Marionettenstaat NDH (Unabhängiger Staat Kroatien) und somit das gleiche Schicksal mit den Juden, sowie der Partisanenkampf gegen die Besatzung und gegen diesen Marionettenstaat, der zusätzlich hohe Opfer forderte) etc.

Den Kosovomythos umreiße ich nur ganz kurz.

Der serbische Fürst Lazar wird durch den Engel Elia

s vor die Wahl gestellt, ob er ein irdisches oder himmlisches Kaiserreich wünsche. Wenn das irdische, so werde sein Heer in der bevorstehenden Schlacht gegen die Osmanen gewinnen und statt ihrer das Erbe des Byzantinischen Reiches antreten. Sollte er sich für das himmlische Reich entscheiden, solle er im Kosovo (damals Kernland des serbischen Kaiserreiches) eine Kirche stiften, er und sein Heer werden umkommen, sein Volk den Leidensweg Christi durchgehen, aber dafür das himmlische Volk sein.

Als Mann seiner Zeit entscheidet er sich für das himmlische Kaiserreich, weil dieses unsterblich ist.
Was wäre ein biblischer Vergleich ohne einen Verrat und der serbische Judas ist Lazars Schwiegersohn Vuk Brankovic, der auch heute als Synonym für Untreue/Verrat steht. Jedoch beschuldigt Lazar in einer Szene, die dem letzten Abendmahl ähnelt, seinen anderen Schwiegersohn Milos Obilic der Untreue. Milos Obilic ist als Antagonismus zu Vuk Brankovic zu verstehen.


Er ist der edle Ritter, der sein Leben opfert, um Lazar seine Treue zu beweisen, indem er schwört den türkischen Sultan Murat I. zu erdolchen. Historischer Fakt ist, der Sultan Murat I., der einzige Sultan, der durch die Hand eines Ungläubigen starb, von einem serbischen Ritter namens Milos Obilic erdolcht worden ist, der als Verräter getarnt in die Gemächer des Sultan vorkam.
Brankovic trifft zur Schlacht gar nicht an, Obilic und Fürst Lazar werden hingerichtet, nachdem es kurz nach einem serbischen Sieg aussah (fälschlicherweise läuteten die Glocken von Nôtre-Dame in Paris, weil man von einem christlichen Sieg ausging). Der Kopf Lazars wird von einem serbischstämmigen türkischen Soldaten wieder gefunden, Kopf und Körper vereinen sich auf wundersame Weise und finden ihre letzte Ruhestätte in seiner Stiftung.

Wieso ist der Mythos so wichtig? Weil Mythen weit und tief verbreitet sind auf dem Balkan, weil das Denken vieler aktiven Politiker in Serbien in diesem Mythen verstrickt ist und weil der Mythos auch die Amtszeit Milosevics begleitet.

Wir erinnern uns, er putschte gegen seinen Gönner Stambolic, wir befinden uns in der Zeit des Aufbruchs und gerade da jährte sich, am 28. Juni 1989 die Schlacht zum 600. Mal und Milosevic, auf dem Zenit seiner Popularität darf dort die Hauptrede halten. Er zog alle Aufmerksamkeiten auf sich, nachdem er es durch Meetings geschafft hatte politische Weggefährten in der Vojvodina, dem Kosovo und in Montenegro zu platzieren.

Sein Flügel hatte nun 4 von 8 Stimmen im jugoslawischen Präsidium. Die Autonomien der Vojvodina und Kosovo wurden beschränkt, in Montenegro kamen noch jüngere Politiker an die Macht, als es selbst Milosevic war: Momir Bulatovic und der jüngste im Bunde, Milo Djukanovic, der viel von seinem Meister gelernt hatte, sich an die Macht in Montenegro putschte und nun mit allen Kniffen und Tricks des alten Herrn Montenegro in die Unabhängigkeit von Serbien führen möchte.

Ich kam im Zuge meiner Facharbeit zum ersten Mal in wissenschaftlicher Berührung mit der Rede, obwohl ich Teile der Rede schon mit 17 las. Es war eine Arbeit, wie Geschichte, Religion und Mythen in Serbien der 1990er instrumentalisiert worden sind und ein Teil war eben auch Slobo und die Mythen. Seine Reden übernahm ich damals noch semiwissenschaftlich aus dem ersten europäischen „Standardwerk/Bestseller“ Bruderkrieg von Silver und Litte.

Als ich meine Arbeit dann in einem wissenschaftlichen Südosteuropablatt veröffentlich sollte, suchte ich natürlich nach der Originalrede, um diese dann ins Deutsche zu übertragen und ich war verdutzt. Diese Rede war so was von fad und langweilig, so eine richtige sozialistische Apparatschickrede – Gleichberechtigung der Völker, Progressivität der sozialistischen Gesellschaft etc. Da wurde ziemlich viel aus dem Kontext gerissen und/oder falsch ins Englische und dann ins Deutsche übersetzt.

Herrje, da stand ich vor einem Dilemma, denn die Passagen waren so unbrauchbar, die ich noch in meiner Facharbeit verwendet hatte. Ich entschied mich große Abschnitte der Rede in einer Mammutarbeit zu übersetzen, darauf hinzuweisen, dass diese gern zitierten Passagen aus dem Zusammenhang gerissen worden sind und ich etwas anderes für interessant halte – nämlich das man an der Rede sehen kann, dass Milosevics Denken nicht in dieser Mythenwelt verwurzelt ist, er sich aber ihrer bedient. Ein berechnender Opportunist und nicht ein verblendeter demoagogischer Nationalist.

Dem Verleger gefiel das nicht und er nahm die Zusage, dass er die Arbeit im nächsten Halbjahresheft veröffentlichen wird, zurück. Die Rede war ihm nicht nationalistisch genug, weswegen ich sie aus der Arbeit nehmen sollte, weil sonst ein falsches Bild über Milosevic entstehen könnte. Schließlich spricht er ja von der Gleichberechtigung der Völker. Nun, was macht man als Studenten da?

Erst war ich stinksauer und irgendwie auch erbost. Man wird fast schon als Milosevicanhänger dargestellt und das obwohl ich eine kritische Arbeit über den serbischen Nationalismus bei allen serbischen Partei schrieb und mein Lehrer (Balkanexperte im Raum Mittelfranken) meinte, dass ich mir der Konsequenzen bewusst sein sollte, die eine Veröffentlichung haben könnte. Telefonterror wäre das wenigste. Und steht man als Milosevicverteidiger da – nach dem Motto: ein ethnischer Serbe schreibt, er umdeutet die Rolle Milosevic, also kann das nur ein bedeuten. Dass ich mir durch die Veröffentlichung eine Menge Ärger eingehandelt hätte, war wohl irrelevant.

Was kann ich dafür, wenn Milosevics Reden nicht so sind, wie man sie gerne hätte oder wie ein Verleger glaubt, dass sie sein müssen. Verfälschen wäre nun, nachdem ich die ganze Rede kannte, ein Verrat an meinen Wissenschaftsidealen. Schließlich war ich davon überzeugt, dass gerade meine Deutung, Slobos Rede als Beweis dafür, dass er am Zenit seiner Popularität, nichts weiteres als ein uncharismatischer Apparatschick und kühler Opportunist war. Ergo – der Verleger nimmt die Arbeit so wie sie ist oder gar nicht, weil er in meinen Augen dann einfach nicht wissenschaftlich arbeitet.

Für alle, die die Rede interessiert – hier ein Link zu einer deutschen Übersetzung, die ich auf die Schnelle gefunden habe: http://www.friwe.at/jugoslawien/krieg/propag/milosevic.htm

Nichtsdestotrotz, Milosevic war am Zenit seiner Popularität gelangt. In 2 Republiken und 2 Provinzen hatte seine junge Garde das Establishment weggeputscht. Die Gesellschaft war politisiert, die Wende in Osteuropa rückte näher und es tat sich auch viel in anderen Republiken. Einerseits versuchten die alten Kommunisten an der macht zu bleiben – das Beispiel Serbien machte Angst. Andererseits tauchte in allen Republiken ein Nationalismus auf, der eng verbunden war mit einem religiösen Fanatismus – alles Teil jener Renaissance.

Zudem gab es die merkwürdigsten Koalitionen zwischen Kirchen, Reform und Altkommunisten und Nationalisten. Das Ergebnis war, dass nun eine Republik nach der anderen aus Jugoslawien heraus wollte. Also wurden Unterschiede zu anderen gesucht, wurde Hass geschürt. Das war die Zeit, als jugoslawische Schüler in Deutschland erfuhren, was sie ethnisch sind. Eine Anekdote dazu – als ein Freund und ich in der Schule gefragt worden sind, was wir wären, antwortete ich dass ich Serbe sei. Mein Freund auch, weil er es bis dato nicht wusste. Er war halber Kroate und halber Muslim.

Freie Mehrparteienwahlen standen in den einzelnen Republiken vor der Tür und öffneten damit die Büchse der Pandora.

To be continued …

Slobo und ich I: Ein Apparatschick wird zum Helden

Vorvorgestern, kurz nach 13:00 Uhr, als ich eigentlich sehen wollte, was so in der Welt des Basketballs geschieht, las ich auf dem Nachrichtenportal von BETA, dass Milosevic unbestätigten Berichten nach, gestorben sei. Da gerade vor kurzem die Ente raus ging, dass Mladic verhaftet worden ist, suchte ich nach verlässlicheren Quellen. Und irgendwie war das ein merkwürdiges Gefühl. Ich kann versuchen es zu umschreiben.

Es war so ein Gefühl, wie es wohl auch sein wird, wenn Kohl sterben sollte. Eine Person, deren Fan man nicht ist, die über einen langen Zeitraum die Geschicke eines Landes leitete, der man, nach Beendigung der politischen Karriere trotzdem einen gewissen Respekt zollt, auch wenn man sich eigentlich nicht seinem Lager zugehörig fühlt. Ein (politischer) Gegner, bei dem man sich eingestehen muss, dass man ihn nicht unterschätzen darf und anfängt ihn differenzierter zu betrachten.

Deswegen fiel mir da Kohl ein. Schröder hatte sich bei mir so einen Respekt nie erworben. Da fehlte irgendwie eine bestimmte Größe. Mir fiel dann ein, wie Stoiber Prantl liebevoll „Lieblingsfeind“ nennt. Das passt gut.

Slobo und ich ist wie Helmut und ich. Es ist auch der Anfang der Erzählung, allerdings ein Anfang an den ich mich nicht wirklich erinnere, weil nur verschwommene Bilder, getrennt voneinander ohne jegliche Bezugspunkte, in meinem Kopf umherschwirren. Die Bezugspunkte bildeten neue Straßen und Brücken, die man sich so während der Beschäftigung mit den Ereignissen auf dem Balkan angeeignet hat.

Aufbruchstimmung in Serbien! Das sind die ersten Erinnerungen. Alles ein Teil der großen Wende in Osteuropa. Es sind Gefühle die man so im Urlaub sammelt.

Sinnbildlich passt dazu ein Osterfest, das ich in Serbien beging, in einer Zeit, als die Religion eine Renaissance erlebte, wie in vielen Teilen des ehemaligen Ostblocks. Jeder erinnerte sich an seine Jugend und wie man Ostern traditionell feiert. Schließlich hat man es fast ein halbes Jahrhundert nicht getan. Es war ein Durcheinander, ein Sammeln, wie man Eier traditionell am besten bemalen kann, ein Austauschen – eine gedankliche Tauschbörse. Die Gesellschaft lebte. Sie war am Pulsieren. Tabus, wie die Geschichte und Kultur verschwanden und jeder wurde zum Junkie der eigenen Vergangenheit. Die Bräuche wurden innerlich aufgesogen, denn es herrschte ein innerer Durst. So waren meine Eindrücke.

Zudem wurden die Städte schöner. Das fällt einem Jungen auf.
Nationalitätenkonflikte, ja überhaupt meine ethnische Herkunft kannte ich zu dem Zeitpunkt nicht. Ich war Jugoslawe, der in Deutschland lebte. Dass Jugoslawien aus bestimmten Republiken bestand wusste ich. Aber in meiner Vorstellung waren das Bundesländer, wie eben deutsche Bundesländer. Mein Vater kommt aus Kroatien, meine Mutter aus Bosnien, einige Verwandte lebten in Serbien. Nun ja, für das alles hätte auch Hessen, Baden-Württemberg und Bayern stehen können. Die Welt war noch so einfach und unbeschwert.

Eins bekam ich trotzdem noch mit, in dieser frühen Phase. Es waren die politischen Diskussionen der Erwachsenen. Ich saß dabei, lauschte mit, verstand nichts und konnte mit dem Gesagten erst Jahre später etwas anfangen. Es ging um die Unruheprovinz Kosovo.

Der Kosovo war Unruheprovinz bevor Milosevic an die Macht kam, eigentlich war es ein Katalysator für ihn. Durch die Verfassung von 1974 erhielt der Kosovo (vorher hieß es noch Kosovo und Metochien) eine weitgehende Autonomie innerhalb Serbiens. Diese sah derart aus, dass Serbien sich in die inneren Angelegenheiten des Kosovo, welcher de jure noch Teil Serbiens war, nicht einmischen konnte, während (Volks-)Abgeordnete aus dem Kosovo Gesetzte für Serbien blockieren konnten, auch wenn diese nichts mit dem Kosovo zu tun hatten. Keine Ahnung, was sich Tito dabei dachte. Kurz danach kam ich auf die Welt und Tito starb daraufhin.

Seitdem brodelte es wieder auf dem Kosovo. Dieser Teil ist wichtig, weil es einfach Blödsinn ist, dass die Kosovoalbaner wegen der Unterdrückung durch die Serben oder gar Milosevic radikalisiert wurden und die Unabhängigkeit wollten. Es war gerade umgekehrt. Milosevic wusste die Gunst der Stunde zu nutzen, um an die Macht zu kommen. Das Problem war vorher da, in einem Kosovo, das seit 1974 de jure fast eigenständig, de facto (albanisch)eigenständig war.

Demonstrationen waren zu sehen, mit Bildern von Tito an Hundeschwänze befestigt etc. Alle Jugoslawen, nach meinem Gefühl die Slowenen und bosnischen Muslime am meisten, regten sich über diese Separatisten auf. Heute weiß ich wieso und dass mein Eindruck gar nicht falsch war.
Die Slowenen waren Zahlmeister und Kosovo neben Bosnien die Armenregion in Jugoslawien gewesen. Die bosnischen Muslime dankten Tito ihre Nationalität und deswegen waren diese Beleidigungen Titos ein Affront gegen sie.
Ich nahm nun an zwischenjugoslawischen, politischen Erwachsenendiskussion passiv teil, denn die Gesellschaft war politisiert! Es herrschte im Gegensatz zur Gegenwart keine politische Apathie. Gräuelmeldungen über ethnische Säuberungen an den Nichtalbanern, Zwangsumsiedlungen, Vergewaltigungen, Exzesse gegen nichtalbanische Homosexuelle (man darf nicht vergessen, dass Jugoslawien ein ziemlich liberales sozialistisches Land war), illegale Albaner, die dort seit der weitgehenden Selbstverwaltung systematisch angesiedelt werden indem man ihnen die Häuser der vertriebenen Nichtalbaner schenkte. (Es flohen an sich viele Albaner aus Albanien wegen des stalinistischen Enver Hoxha-Regimes.) All das waren Gesprächsthemen.

Slobo war damals ein junger aufstrebender, uncharismatischer (! Darauf muss ich auch eingehen, wie es zu der Mär kam, er hätte Charisma) typisch blasser Apparatschick wusste damals die Gunst der Stunde zu nutzen.

Er werde die Lage in Ordnung bringen. „Niemand darf euch schlagen“ rief er aufgebrachten Kosovoserben zu, nachdem sie einen Zusammenstoß mit der Kosovo-(albanischen) Polizei inszeniert hatten. Seitdem war er der Held. Im selben Jahr noch putschte er auch gekonnt gegen seinen politischen Gönner und Republikpräsidenten Ivan Stambolic. Alles auf einer ZK-Sitzung und vor laufenden Kameras. Das war 1987, er wurde zum starken Mann innerhalb der Partei in Serbien und somit Serbiens, es ebnete ihm dann auch den Weg in den Präsidentenpalast und das war zugleich der Beginn der „antibürokratischen Revolution“. Denn im Gegensatz zu einigen Hobbyhistorikern und Laienjournalisten war es nicht die Rede anlässlich der 600. Jahrfeier der Amselfelder Schlacht 1989, die in das Amt hievte, sondern dieser Zusammenstoss auf dem Kosovo 1987 und die clevere Live-Übertragung einer ZK-Sitzung.

Wer war dieser Mann? Sohn eines aus Montenegro stammenden Theologen und einer kommunistischen Mutter. Als Direktor der Belgrader Bank, war der gelernte Jurist oft in New York und sprach sehr gutes Englisch. Trotz dieser Erfahrungen und trotz des anfänglichen Wohlwollens seitens der Amerikaner setzte er während der Wende auf die sowjetisch-konservative Karte. Das Lavieren zwischen den Mächten perfektionierte er am Schluss, was ihm wohl auch zum Verhängnis wurde. Obwohl er auf die sowjetisch-konservative Karte setzte, war er nicht Teil des alten Establishments, denn gegen die begehrte er auf und sie wandten sich gegen ihn. Sein Förderer Stambolic war sein erstes Opfer. Das Ziel war allerdings nicht Serbien, sondern Jugoslawien.

Serbien war zwar zahlen- und flächenmäßig die größte Republik, die Serben stellten auch an sich den größten Teil der jugoslawischen Bevölkerung, allerdings hatte er im jugoslawischen Präsidium nur 1/8 der Stimmen, zudem blockierten die Kosovoalbaner und die (reichen) Vojvodinaautonomisten (Serben) das serbische Parlament.

Also gab es zwei Möglichkeiten: entweder reformiert sich Jugoslawien (es sei daran erinnert, dass Jugoslawien damals wirtschaftlich und demokratietechnisch den osteuropäischen Nachbarn weit voraus war und nur eine Frage der Zeit, bis man Teil der damaligen EG wird. Ein Argument für die nationalistischen Bewegungen war, dass man alleine schneller in die EG käme, als gemeinsam) alleine oder er reformiert es, indem er die Kontrolle in den beiden Autonomen Provinzen innerhalb Serbiens und der Schwesterrepublik Montenegro erlangt. Dann besäße er 4 der 8 Stimmen, was ungefähr dem Anteil der Serben in Jugoslawien entsprach. Die Druckmittel dazu waren befreundete Redakteure, waren Demonstrationen, die sich „Meetings“ nannten, waren eigentlich moderne oder als modern dargestellte Instrumente.

Von nun an begann der Machtkampf um Jugoslawien und danach um sein Erbe.

To be continued…

Montag, März 13, 2006

Slobo ist tot

Slobo ist tot!

Obwohl ich ihn nie Slobo, sondern immer nur Milosevic nannte, weil mir eine Nähe fehlte und ich eine Diminutivform für falsch hielt, wählte ich diese Überschrift, weil er, wie eben nur wenige Politiker, wie z.B. Helmut Kohl mehr als die Hälfte meines Lebens ausmachten und auch teilweise bestimmten.

Gerade deswegen dachte ich, die nächste Zeit verschiedene persönliche Posts zum Komplex Milosevic zu bringen – unter dem Motto „Slobo und ich“. Zudem eignet sich wohl nichts Besseres als ein Weblog, solche persönliche Eindrücke zu vermitteln.

Ein weiterer Grund, neben der Länge seines politischen Wirkens, für mehrere Beiträge zu diesem Thema ist, dass er in den verschiedenen Zeitabschnitten (Kalter Krieg / Wende / Bürgerkriegszeit / Antiterrorkampf) der Weltgeschichte immer ein kontrovers diskutierter Mensch war und dies gerade zu verschiedensten Mythenbildungen auf allen Seiten betrug.

Man konnte jede Einschätzung zu ihm lesen, u.a. dieselben Personen änderten oft ihr Bild:
ein Wirtschaftsliberaler, ein Weißer/Konterrevoluzzer, ein Betonkommunist, ein Nationalist, ein Nationalkommunist, ein Opportunist, die Wiedergeburt Hitlers, ein Faschist, ein Antifaschist, der Hauptschuldige für die Balkankriege, ein Schuldiger dieser Kriege, ein Friedensengel, ein Opfer der und Kämpfer gegen die Neue Weltordnung… .

Interessant in diesem Zusammenhang ist, wer was wann über ihn sagte. Denn klare Linien sind nicht erkennbar.

Fangen wir auf dem Balkan an. Jeder Politiker hat mit, als auch gegen ihn Politik betrieben. Fast jeder – große Ausnahme ist Kostunica, momentaner Premier in Serbien.

International wurde er gelobt und getadelt.

Für die Clintonadministration beispielsweise gehörte der, wie immer gerne von Amerikanern hervorgehoben wurde, sehr gut englisch sprechende Milosevic zu jenen Politikern, die auch in jeder westlichen Demokratie Karriere gemacht hätten. Mitte der 1990er wurde er Friedensfürst und Garant für Clinton. Ende der 1990er zu einem Feind, den es zu eliminieren galt, weil er sich nicht als Verbündeter zeigte.

Andererseits verwundert es einen, wer Unterstützer Milosevics wurde, nach dem er kein politisches Amt mehr bekleidete. Wobei man auch hier vorsichtig sein muss. Es gab Leute, wie Peter Handke, die ihn in Schutz nahmen, aber nicht Anhänger waren.
Nichtsdestotrotz gehören dazu Kämpfer gegen die „Neue Weltordnung“, wie der ehemalige US-Justizminister, Staatsanwalt, Kämpfer für die Rechte der Afroamerikaner, Ramsey Clark, der auch juristischer Berater Milosevics in Den Haag war und der britische Literaturnobelpreisträger von 2005 Harold Pinter.

Kontrovers wurde auch das Gerichtsverfahren diskutiert und nun eben auch sein Tod. Deswegen kommen nun, im unregelmäßigen Abstand persönliche Beiträge zu diesem Themenkomplex Milosevic.

Donnerstag, März 02, 2006

Absurdes Gedankenspiel

Ein kleines absurdes Gedankenspiel:

Der Staat Bosnien-Herzegowina besteht aus den zwei Entitäten „Föderation Bosnien-Herzegowina“ (Muslime und Kroaten) und „Republika Srpska“ (Serben). Die Bevölkerungsgruppen und diese Teilstaaten führten untereinander in verschiedensten Konstellationen Krieg. Republika Srpska + Autonome Republik Westbosnien (Muslime) gegen Bosnien (Muslime) und Repulika Herceg-Bosna (Kroaten), die auch gegeneinander Krieg führten etc. Ein Bürgerkrieg eben.

Im Staat Bundesrepublik Jugoslawien (heute Serbien-Montenegro) leb(t)en während des Krieges eine sehr große Minderheit an Albanern (im Kosovo), ein mittlere Minderheit an bosnischen Muslimen (im Sandzak/Raszien) und Ungarn, Rumänen, Kroaten, Slowaken etc (in der Vojvodina).

Der Staat Bosnien-Herzegowina klagt den Staat Serbien-Montenegro wegen Völkermord u.a. an.

Gewinnt Bosnien-Herzegowina den Prozess, wäre also auch die Republika Srpska als Teil Bosniens ein Opfer der Aggression Serbien-Montenegros. Andererseits müssten Muslime, Albaner, Ungarn etc aus Serbien-Montenegro Entschädigungen in Milliardenhöhe an Bosnien leisten, also auch an die Republika Srpska, die 49% des Gesamtstaates ausmacht.

Spätestens hier sollte jedem einleuchten, dass Bürgerkriege nicht wie Konflikte zwischen Staaten behandelt werden können und sollten. Wenn man es tut, kommen solche Absurditäten heraus.