Freitag, Januar 27, 2006

Aus dem Reich der Mitte

Eine Anekdote aus einer Vorlesung.

Als Händler des britischen Empire im Reich der Mitte waren, ließ sich, soweit ich mich noch entsinnen kann, der chinesische Kaiser von ihnen auf einem Globus zeigen, wo die britischen Inseln liegen, um danach festzustellen, dass sie zu klein und weit weg wären, um sie in sein Reich als Provinz einzugliedern.

Was mir an dieser Anekdote gefällt ist, dass es eben den Chinese Point of View zeigt und nicht immer nur die eurozentristische Sichtweise. Aus der Sicht des Chinesen war Großbritannien eben nicht, wie für uns eine Weltmacht, sondern weit entfernte Inseln, die es nicht einmal verdienten, Teil des Chinesischen Reiches zu werden.

Immer wenn es um Außenpolitik geht, sollte derjenige, der sich an die Thematik wagt, vor Augen halten, dass unser Denken auch heute noch eurozentristisch bestimmt ist, wie auch das des Chinesen z.B. sinozentristisch ist. Um die Außenpolitik der Volksrepublik Chinas zu verstehen, müssen nicht nur die Geschichte, die unveränderlichen geographischen und geopolitischen Gegebenheiten berücksichtigt werden, sondern auch Maos Erbe.

Nach einer Zuwendung zur Sowjetunion und Zuwendung zur USA war Chinas Schlüsselwort in der Außenpolitik das der "Äquidistanz" zu beiden Supermächten. Chinas Prinzipien in der Außenpolitik sind "Selbständigkeit und Unabhängigkeit". China wollte eben weder die amerikanische, noch die sowjetische Karte spielen, aber es auch nicht zu lassen, dass jemand China als Karte spielt. Da hatte das Reich der Mitte eben aus den letzten beiden Jahrhunderten schlechte Erfahrungen, als es von den imperialistischen Großmächten in Interessens- und Einflusssphären geteilt worden ist.

In vielen internationalen Konflikten, sieht sich China aus dem eigenen Selbstverständnis heraus eben nicht als Gegner des Westens, sondern als neutraler Beobachter. Allerdings folgen viele westliche Schreiberlinge der Bush-Doktrin „You’re either with us or against us“. So eben momentan in der Irankrise.

Einige Schreiberlinge werden nicht müde China zu ermahnen, dass es seiner internationalen Verantwortung gerecht werden muss. Sie werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass China Geschäfte mit Iran betreibt und auf seine Energiequellen angewiesen ist (als ob wir es nicht wären). Sie werden vor allem nicht müde darauf hinzuweisen, dass China, wie Russland zu Irans Verbündeten zählt.

Das ist eben unsere eurozentristischer Sichtweise, die auch schließlich bestimmt was die internationale Staatengemeinschaft will. Wie beurteilt jedoch China diesen Konflikt?
Es sieht einen Antagonismus USA/EU versus Iran und nicht die ominöse internationale Staatengemeinschaft (ist damit eigentlich die Welt gemeint, oder nur ausgewählte Vertreter. Wenn die Welt, wieso benennt man es dann nicht so?) versus Iran. Und da will die Volksrepublik einfach neutral bleiben und sieht sich eher als möglichen Vermittler, weil es einfach nicht ihr Konflikt ist.
Die Bemerkungen über die Abhängigkeit Chinas von Iran stimmen, aber sie sind wohl nicht entscheidend für die Haltung Chinas. Schließlich bezog das Reich der Mitte eine ähnliche Position während des Jugoslawienkrieges, und keiner würde behaupten, es sei von Serbien abhängig (gewesen).

Es ist also weniger die Wirtschaft, als vielmehr das eigene Selbstverständnis, das Chinas Außenpolitik in diesen Fällen leitet. Dass Außenpolitik auch immer Interessenpolitik ist, gilt auch für China. Das lässt sich nicht abstreiten. Aber gerade deswegen ist nicht jeder Konflikt des Westens ein Konflikt Chinas. Von Peking aus, sieht die Welt nun einmal anders aus.

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