Donnerstag, Dezember 08, 2005

Du bist BiH

Du bist BiH! (Abk. für Bosna i Hercegovina)
Das ist der Slogan für die bosnisch-herzegowische Jugend im Jahre 2006!
Natürlich ist der Slogan unabhängig und parallel zum Slogan "Du bist Deutschland" entstanden, der uns jetzt, ein Jahr vor der Fussball-WM überall und immer wieder erinnert, wo wir leben und welches Land wir anfeuern sollten.

Heute erschien in der Süddeutschen Zeitung ein schöner (politischer) Artikel von Peter Münch...
Der Titel ist auch sehr gut gelungen - "Rote Sterne, gelbe Sterne" eine gelungene Anspielung an die kommunistsche Vergangenheit BiH als jugoslawische Teilrepublik und Zukunft als vollwertiges EU-Mitglied.

Wir erfahren, dass Tito und die Vergangenheit wieder "in" sind in BiH - Ostalgie auf balkanesisch. Zeiten, in denen man es als Jugoslawe pflegte auf die Staaten des ehemaligen Ostblocks herunterzuschauen. Heute sind diese Teil der EU oder stehen kurz davor, es zu werden. Nostalgisches Denken eben.

Die Wunden des Bürgerkrieges Anfang der 90er Jahre sind immer noch im "kleinen Jugoslawien", so wurde BiH früher liebevoll genannt, zu sehen. Der Krieg wurde zwar durch den Daytoner Vertrag beendet, die Volksgruppen wurden nicht zusammen geführt. Zu sehr sind wohl immer noch die verschiedenen "Großmachtsansichten" in allen drei Volksgruppen verankert - nur etwas moderarter vorgetragen.

BiH wurde aufgeteilt in eine serbische Republik (49% des Territoriums) und eine kroatisch-muslimische Föderation (51% des Territoriums), welches wieder in Kantone untergliedert ist...
Zusammengehalten wird dieses Land nun nach den Osmanen, den Habsburgern, den Karadjordjevici und Titos Kommunisten durch den Hohen Gesandten und dem Druck der internationalen Gemeinschaft. Gemeinsames Ziel aller drei Volksgruppen ist die EU.

Während die bosnischen Muslime, die die größte Bevölkerungsgruppe darstellen, schon, wie zu Zeiten des Krieges auf einen Gesamtstaat pochen, wollen die Serben und Kroaten im Lande die größtmögliche Autonomie und eine eventuelle Eingliederung in ihre Mutterstaaten.
Die Motive sind auch klar. Während die bevölkerungsstärkste Gruppe immer eine Mehrheit in einem Parlament darstellen würde, wären die anderen beiden Bevölkerungsteile nur die absoluten Mehrheitsbeschaffer.
Allerdings handelt es sich hier nicht um Partein, sondern um Ethnien! Deswegen ist es auch verständlich, wieso die anderen beiden Volksgruppen eher für föderalistische, bis hin zu seperatistische Lösungsansätzen waren oder sind. Die Muslime hingegen für einen zentralistischen Gesammtstaat.
Etwas ähnliches ist uns schon in der Frühzeit der Türkei begegnet. Atatürk versuchte auf den Trümmern des Osmanischen Reiches einen, an Frankreich angelehnten, zentralen, unteilbaren, sekularen Einheitsstaat aufzubauen - zum Leidwesen der Minderheiten (Griechen, Armenier etc.).

Zurück zu Münch...
Durch "Think BiH" und "Du bist BiH" soll eine gesammtbosnische Identität geweckt werden. Was die Osmanen, Habsburger, Monarchisten und Kommunisten nicht geschafft haben, sollen nun diese neuen Slogans aus PR-Agenturen schaffen - etwas zum Zusammenwachsen zu bringen, was nicht zusammen wachsen will.


Es wird im Artikel leider nicht erwähnt, wie der aktuelle Hohe Gesandte Paddy Ashdown inflationär von seinen Sonderbefugnissen gebrauch macht, um den Daytoner Friedensvertrag auszuhebeln - Begründung ist immer die Annäherung an NATO und EU.

Es wird nicht erwähnt, dass der Westen zum 10 jährigen Jubiläum eine Änderung des Daytoner Vertrages, eine gesamtbosnische Identität, und ein zentralistisches politisches Sytem fordert.

Es wird nicht erwähnt, dass sich die Vertreter der drei Volksgruppen in den USA (!) auf Druck des Gastgebers und der EU darauf einigten, die eigene bestehende Verfassung aus der Zeit des Daytoner Friedens, nach Willen der USA zu modernisieren - also zu ändern!

Auffällig ist die Geschwindigkeit, in der alles geschieht und dass parallel dazu die Verhandlungen zum Endstatuts des Kosovo und die Abspaltungsbemühungen Montenegros laufen. Allerdings wird dort, vor allem im Kosovo mit anderen Maßstäben gemessen.

Und genau in diesem Lichte muss Münchs Artikel gelesen werden. Es ist Werbung für eine "gesamtbosnische" Identität. Berichtet wird leider mal wieder nur aus Sarajevo und nicht aus allen Teilen des Landes, wodruch der Anschein geweckt wird, Sarajevo ist das Synonym für Ganz Bosnien. Mit dem Rückgriff auf die Jugostalgiker und den neuen Slogans wollte er aufzeigen, wie BiH in die EU könnte - als Zentralstaat.

Außer der Schwierigkeit, einen Zentralstaat in einem multiethnischen (zerstrittenen) Land zu errichten, stelle man sich doch folgendes vor: Die EU fordern uns auf, die Bundesstaatlichkeit aufzugeben und zu einem Zentralstaat zu werden! Genau das geschieht momentan auf dem Balkan.

Als Jugostaligiker und Jugophober wird man sich an einen Spruch aus der kommunistischen Ära erinnern - bratstvo jedinstvo - Brüderlichkeit Einigkeit. Wie man sieht versuchten auch Titos Kommunisten die Volksgruppen mit Parolen und Druck zusammenzubringen - das Ergebnis kennt man.

Ob "Think BiH" und "Du bist BiH" da mehr Erfolg haben werden ...

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