Montag, Dezember 05, 2005

Dominotheorie?

Jeder kennt diese lustigen Dominosteine und weiß spätestens seit der RTL-Sendung Dominoday, dass diese Steinchen, wenn sie hintereinander senkrecht aufgestellt werden, alle umstürzen, sollte einer dieser Steine umfallen.

Dieser so spassige Effekt, mit den man ohne Probleme eine Abendsendung im deutschen Fernsehen füllen kann, führte im Kalten Krieg zu einer, vor allem für Südost- und Ostasien geltenden, schönen Theorie. Ein kommunistischer Umsturz in einem Land führe zum möglichen Umfallen seiner Nachbarn... Wie in der spannenden RTL-Sendung, nur eben mit Staaten statt Steinchen.

Demnächst könnte man so ein Spektakel, ähnlich dem Dominoday, wieder im TV verfolgen.
Die Verhandlung zur umstrittenen, formal südserbischen, unter UN-Verwaltung stehenden Albanerprovinz Kosovo haben begonnen. Eine Vielzahl westlicher Analysten und Beobachter geht von einer, wie auch immer gearteten Souveränität dieser Krisenprovinz aus. Dies könnte allerdings zu weitreichenden Folgen, nicht nur für die Balkanregion nach sich ziehen!

Nach dem Fall der Mauer wurden im allgemeinen Auflösungsprozess fast alle ehemaligen sowjetischen und jugoslawischen Teilrepubliken zu unabhängigen und international anerkannten Staaten. Somit durften wir in Erdkunde die Namen der neuen Staaten, wie Estland, Lettland, Litauen, Georgien, Kasachstan, Usbekistan, Bosnien-Herzegowina oder Slowenien auswendig lernen.

Alles unterhalb der Republiksebene wurde den Schülern erspart: Transnistrien, Berg-Karabach, Tschetschenien, die serbischen "Republiken" Krajina und Srpska, die kroatische "Republik" Herceg-Bosna oder auch Kosovo.

Nun könnte sich das ändern und eben zu einem Dominoeffekt führen.
Falls sich die Kosovalbaner, und davon kann man ausgehen für eine Unabhängigkeit der Provinz aussprechen sollten und diese von der internationalen Gemeinschaft (einige Think Tanks schlagen einen westlichen Alleingang auch gegen den Willen Russlands oder Chinas vor) anerkannt würde, gäbe es wenig Argumente, die eine Loslösung der oben aufgeführten Gebiete unterbinden könnten.

Wenn die Albaner im Kosovo ein Anrecht auf einen zweiten albanischen Staat haben, müssten die Albaner in Montenegro, Makedonien und Südserbien auch ein Recht auf Selbstbestimmung haben. Dürften sich dann nicht die Kosovoserben im Norden für eine Loslösung aus dem Kosovo aussprechen. Ist es nicht voraussehbar, dass radikale und nationalistische Kreise in Serbien, aber eben nicht nur diese, nach einer Wiedergutmachung für das "heilige serbische Land Kosovo und Metochien" verlangen werden. Gedacht wird vor allem an die Serbenrepublik in Bosnien Herzegowina.

Dürften denn nicht Serben und Kroaten aus dem künstlich zusammengehaltenen bosnischen Staat austreten, wenn den Kosovoalbanern das Recht auf Selbstbestimmung zugesprochen wird?
In der von Armeniern bewohnten aserischen Region Berg-Karabach erwartet man schon fieberhaft die ersten Resultate der Kosovoverhandlungen. Auch hier ist man sich der Konsequenzen bewusst. Wie es ausschaut nicht nur dort. Eingedenk der eigenen Probleme mit abtrünigen Regionen scheinen Russland und China sich der Brisanz der Verhandlungen bewusst zu sein, weswegen es äußert spannend sein wird, die weiteren außenpolitischen Aktivitäten dieser beiden Vetomächte zu beobachten.

Zudem besteht die Möglichkeit einer Loslösung der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Montenegro aus dem Staatenbund Serbien-Montenegro. Allerdings handelt es sich hier um eine Teilrepublik. Zudem ist weder die Mehrheit für bei einem Referendum sicher, noch wer bei diesem Referendum sein politisches Recht auf Mitbestimmung wahrnehmen darf, klar (Nur Montenegriner mit Wohnsitz in Montenegro, oder auch Montenegriner mit Wohnsitz in Serbien oder anderswo?). Hier wird man auf das Ergebnis der Venedig-Kommision, eine Einrichtung des Europarates, und die Reaktion der montenegrinischen Regierung abwarten müssen.

Während es den Anschein hatte, dass die Europäische Integration weitergeht, könnten die Loslösungsprozesse an der EU-Peripherie, wie in der Dominotheorie weiterlaufen.


Zum Abschluss ein Artikel aus der New York Times, der gar nicht zum Thema passt ;-)

http://www.nytimes.com/2005/12/03/international/europe/03bosnia.html

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