Freitag, Februar 10, 2006

Großmachtpolitik im 21. Jahrhundert

Die Großmächte beziehen diplomatisch ihre Stellungen, aber nicht nur im Irankonflikt, sondern parallel dazu auf dem Balkan.

Nach dem Vorstoß Putins kurz vor Beginn der direkten Statusverhandlungen über den Kosovo, musste nun auch der Westen, aber vor allem die USA in die diplomatische Offensive gehen.

Der ehemalige österreichische Botschafter in Jugoslawien, Chefunterhändler bei den Kosovoverhandlungen von Rambouillet 1999 und ehemalige Hohe Repräsentant in Bosnien-Herzegowina, Wolfgang Petritsch, sagte in einem Interview mit dem Spiegel, dass das Kosovo zwar rechtlich zu Serbien gehöre, Milosevic es aber moralisch verspielt hätte.

Interessant hierbei ist die „Moral“ als relevante Größe in der internationalen Politik und im Völkerrecht – ja im abendländischen Recht schlechthin. Schon 1999 musste die „Moral“ beim Kosovo/Jugoslawienkrieg als Legitimität herhalten, weil das Völkerrecht für den Einsatz nicht ausreichend war.

In Sozialkunde lernt man, dass man mit Bedacht vom Rechtsstaat und nicht vom Gerechtigkeitsstaat spricht. Der Staat und die Gerichte sind für das Recht da und die Kirche und sonstige Institutionen für die Moral. Nicht einmal im demokratisch verfassten Rechtsstaat müssen Recht und Moral übereinstimmen. Um ein Beispiel zu nennen: Promiskuität mag moralisch verwerflich sein, verboten ist sie bei uns nicht.

Aber lassen wir mal die Österreicher…. Viel interessanter ist es, was die Briten und Amis sagen.

Der US-Sondergesandte bei den Statusverhandlungen, Frank Vizner, redete auf die serbische Regierung ein, dass sie der serbischen Öffentlichkeit erklären müsse, dass das Kosovo durch Milosevic und die Radikalen (Serbische Radikale Partei. Zurzeit stärkste Fraktion im Parlament. Während des Kosovokrieges zeitweise Koalitionspartner der Sozialisten (Milosevics Partei) auf Republikebene.) verloren sei und die jetzige Regierung keine Schuld träfe.

Schließlich stehen die USA vor einem Dilemma. Einerseits unterstützte man die albanisch-separatistischen Kräfte im Kosovo mit der Begründung, dass Serbien unter Milosevic keine Demokratie sei, andererseits kann man nun, 5 Jahre nach dem Sturz Milosevics, die Demokraten in Serbien nicht vor den Kopf stoßen, indem das Kosovo nun trotzdem Unabhängig wird.

Denn das demokratische Lager in Serbien ist gespalten und hat mit den Radikalen eine sehr starke nationalistische Bewegung im Rücken. Zudem ist fraglich, wie nach einer Unabhängigkeit des Kosovo und einer Abspaltung Montenegros die Westbindung des Landes noch gerechtfertigt werden könnte. Die Lage in Serbien erinnert sehr stark an die Zeit im Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg, weswegen der langsame Rechtsruck, den man zurzeit beobachten kann zu einem sprungartigen werden kann.

Also wird Milosevic aus den alten Schubladen geholt und muss herhalten. Allerdings ist die Frage berechtigt, wieso eben damals 1999, als er noch an der Macht war und er das Kosovo der UN und KFOR übergeben musste, der UN-Sicherheitsrat nicht festgestellt hatte, dass Milosevic das Kosovo verspielt hat?

Nein, damals wurde es in der Resolution 1244 als Bestandteil der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien-Montenegro) definiert und nach dem Umbau des Bundesstaates in die Staatengemeinschaft Serbien-Montenegro noch einmal bestätigt.

Leon Cohen, Berater des serbischen Präsidenten Tadic und Mitglied der serbischen Delegation, stellte diesbezüglich fest, dass der Druck einzelner Mitglieder der Kontaktgruppe auf Serbien, nach dem Vorstoß Russlands, wachsen werde. Er weist darauf hin, dass ein Dilemma für die westliche öffentliche Meinung nicht gelöst worden ist. Soll die Kosovofrage als Teil einer unerledigten Aufgabe 1999 (d.h. die Nato oder die Amerikaner kämpften schon damals für ein unabhängiges Kosovo) oder als ein herkömmlicher politischer Konflikt, der durch das geltende Völkerrecht gelöst werden kann, betrachtet werden.

Anhänger der ersten Theorie stützten sich dann eben auf Milosevic bzw. auf die Macht des Faktischen, nämlich, dass das Kosovo de facto nicht mehr zu Serbien gehöre. Trotzdem solle die serbische Delegation sich nicht beirren lassen, denn wenn dem so wäre, müssten keine Verhandlungen stattfinden. Die KFOR und UNMIK könnten sich einfach zurückziehen und die Staatsgewalt völlig den Kosovoalbanern überlassen.

Eine hitzige Diskussion entfachte aber nicht der Beamte des State Departments, sondern ein Beamter des britischen Foreign Office. John Sawyer sagte bei einem Treffen mit Vertretern der Kosovoserben, dass sie sich damit abfinden sollten, in einem unabhängigen Kosovo zu leben. Später folgte von ihm dann ein halber Rückzieher, aber keine Dementi. Die Reaktionen in Serbien waren Entsetzen pur (egal ob die nationalistische Radikale Partei oder die prowestliche wirtschaftsliberale G17plus, die vom wirtschaftlichen Standpunkt aus eigentlich für eine Loslösung des Kosovo ist).

Schon sickerte aus diplomatischen Kreisen, dass das nicht der erste britische Vorstoß darstelle. Der britische Botschafter David Gowan soll vor kurzem dem serbischen Premier Kostunica übermittelt haben, dass die Kontaktgruppe beschlossen habe, dass das Kosovo unabhängig würde – kurz nach der Erklärung Putins. Die serbischen Kommentatoren fragten sich deswegen, ob Großbritannien die Statusverhandlungen durch solche eine (aggressive) Diplomatie stören und unterminieren wollen.

Wie dem auch sei, der gesamte Rahmen der Statusverhandlungen erinnert an die Großmachtpolitik des 19. Jahrhundert und wer sich etwas mit Geschichte befasst, weiß, dass das nichts Gutes verheißen kann! Spannend bleibt es auf jeden Fall!

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