Gestern konnte der Kenner des gewitzten Wortes einen schönen, humoristischen Beitrag auf den Seiten der Süddeutschen Zeitung lesen. Nicolas Richter macht sich in seiner zweideutigen Überschrift "Angst vorm Fliegen" lustig über die neuen Reisemöglichkeiten des sudanesischen Präsidenten al-Baschirs.
Al-Baschir ist nicht nur Präsident des Sudans. Er ist tragende Figur in einem Bürgerkrieg in einer sudanesischen Provinz, namens Darfur und seit neuestem in diesem Zusammenhang das erste Staatsoberhaupt, das vorm Internationalen Strafgerichtshof angeklagt worden ist.
Nur am Rande, damit keine Verwechsungsgefahren bei den vielen Gerichten in Den Haag entstehen. Erster Staatsoberhaupt, das angeklagt worden ist, ist meines wissens Slobodan Milosevic zuzeit des Kosovokrieges und zwar vorm "Kriegsverbrechertribunal" in Den Haag, offiziel "Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien", ein ad hoc Tribunal.
Wie dem auch sei, al-Baschir ist nun Angeklagter und muss fürchten bei einer Staatsvisite verhaftet und nach Den Haag gebracht zu werden. Al-Baschir wollte nun protzen und besuchte demonstrativ Eritrea und Ägypten. Ein Grund für Nicolas Richter von der SZ darauf hinzuweisen, dass es aber sehr gefährlich werden könnte für ihn, also den sudanesischen Präsidenten. Es könnte ja sein, dass ihm Staaten das Überflugrecht verbieten oder dass er von Jets abgefagen wird (über internationale Gewässer) und dann nach Den Haag weiterreisen kann.
Ein Artikel als Reaktion auf die gezeigte Gleichgültigkeit bei al-Baschir.
Der Leser bekommt so ein Gefühl: "Das geschieht ihm recht!" "Der will es uns allen zeigen, indem er jetzt rumreist, aber der wird schon noch sehen".
Reiseschwierigkeiten als gerechte Strafe für potentielle Kriegsverbrecher. So schmeckt Gerechtigkeit! Das wollte uns Richter wohl sagen (ist der Name eigentlich ein satirischer Künstlername?)
Machen wir einen Sprung ins Jahr 1648. In Osnabrück und Münster wurde lange verhandelt um den 30jährigen Krieg zu beenden. In die Geschichte ging dieser erste moderne Friedensvertrag als Westfälischer Frieden ein.
Die Menschen damals hatten sich, wie auch die Menschen danach und heute überlegt, wie man aus dem Rechtszustand des Krieges in den Rechtszustand des Friedens wechseln könne und wie dieser zweiter Zustand Gültigkeit bewahren kann.
Ohne auf die Einzelheiten der Friedensverträge von 1648 einzugehen, weise ich auf einen zentralen Faktor hin. Amnestie. Ein beiderseits immerwährendes Vergessen und Amnestie sollte die Nachkriegsordnung nicht dergestallt belasten, dass die vergangene Kriegszeit Vorwände zum Beenden der Friedensordnung liefern. Den Diplomaten jener Zeit war bewusst, dass eine Schwachstelle der Friedenszeit, Ansprüche aus der Kriegszeit, sein können.
Im Völkerrecht hatten wir hier viele Wandlungen erlebt, z.B. die Kollektivschuld oder der Versuch die Individualschuld zu ahnden. Moralisch ist die Entwicklung des Völkerrechts zum innerstaatlichen Strafrecht zu begrüßen.
Es tauchen aber Schwierigkeiten auf.
- Das Wesen und der Rechtscharakter des Völkerrechts unterscheideen sich stark von allen anderen Rechtsgebieten.
- Zudem noch ein kleines Gedankenspiel:
Den verfeindeten Parteien ist nach dem Westfälischen Amnestieprinzip immer ein Weg zu Friedensverhandlungen und zum Frieden geöffnet! (anzumerken ist, dass allerdings die Hemmschwelle für einen Krieg fallen kann).
Ein angeklagter Potentat der Neuzeit steht mit einer Anklage mit dem Rücken zur Wand. Um sich zu sichern, kann er keinem Frieden zustimmen - und wer will mit einem angeklagten und somit potentiellen Kriegsverbrecher verhandeln, ihm die Hand reichen und schütteln und einen Vertrag unterzeichnen.
Das westfälische Modell hat eben eine politisch-pragmatische Seite für solch ausweglose Pattsituationen, auch wenn es moralisch bitter schmeckt.
Zurück ins Jahr 2009.
al-Baschir wurde angeklagt. Der Brügerkrieg hält an. Was ist die Lösung, rein pragmatisch? Einmaschieren? Verhandeln ginge ja nicht.
Ein Schelm, der hier an die Bodenschätze (Sehr große Erdölvorkommen - der große Teil der Ölfelder ist noch nicht erschlossen, nicht einmal Konzessionen wurden verteilt) denkt.
Das ist allein die pragmatische Seite.
Doch was ist mit dem Völkerrecht? Geahndet werden vorm IStGH nur Täter, die einem Land angehören, das die Statuten des Gerichtshofs ratifiziert hat oder seine Taten in solch einem Land begeht.
Wir erinnern uns an den ehemaligen Präsident G.W.B. Weil weder die USA, noch der angegriffene Irak die Statuten ratifiziert haben, konnte er sich sicher fühlen.
Der Sudan hat die Statuten auch nie ratifiziert und Darfur gehört völkerrechtlich zum Sudan.
Wieso wurde er angeklagt und wieso kümmert das niemanden in unserer Medienlandschaft?
Weil er potentieller Völkermörder ist? Deswegen darf man das Recht verbiegen? Deswegen hat er keine Rechte mehr? Das ist nicht europäisch-abendländische Rechtstradition. Jeder ist solange unschuldig, bis ihm die Schuld bewiesen worden ist und ohne geschriebens Recht keine Strafe. Der Gerichtshof hat keine Zuständigkeiten über den Sudan. Egal, wie uns das gefällt oder missfällt.
Ich will al-Baschir weder verteidigen, noch anklagen (solche Statements sind in der politisch korrekten Welt mittlerweile notwenig, damit jeder sich auf die grundsätzlichen Argumente konzentriert und nicht Nebenkriegsplätze eröffnet). Allerdings wundere ich mich wegen unserer Medienlandschaft. Neben den ewigen Bösewichten aus dem Osten äußerte sich auch der UN-Generalsekretär, Ban Ki-Moon, äußerst besogt.
Wieso sich die arabische welt solidarisch mit al-Baschir erklärt ist auch klar. Ein Bush, den man nicht anklagen konnte, wurde nicht angeklat, ein al-Baschir, den man nicht anklagen konnte, wurde angeklagt.
Aber wir reden schadenfroh über die Angst vorm Fliegen!
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