Dienstag, März 24, 2009

Verhältnismäßigkeit

Genau 10 Jahre ist es her, als die größte Militäralianz aller Zeiten, mit Luftangriffen auf Serbien begann. 78 Tage lang dauerten sie.

Vorher, währenddessen und heute wurde darüber sehr kontrovers diskutiert. Wie wir seit dem letzten Beitrag wissen, gibt es keine "one world" und somit Unterschiedliche Ansichtweisen zu diesem Konflikt.

Anders, als man es uns hier 1999 hat glauben lassen wollen, war diese Trennlinie nicht zwischen Serbien, Russland, China auf der einen Seite und der "internationalen Staatengemeinschaft" auf der anderen. Die Trennlinie ging kreuz-und quer. Ich weiße z.B. auf den Brigadegeneral a.D. Heinz Loquai, der vor den Kampfhandlungen 1999 im Kosovo als Bundeswehrsoldat war und eine andere Sichtweise hat, als seine damalige Bundesregierung.

Heute können wir definitiv konstantieren, dass das Propaganda war - also wieviele Meinungen es gibt, welche es gibt und wie diese aussehen.

Das ändert aber nichts an der Beurteilung zum Krieg itself.

10 Jahre danach und es ist klar, dass nichts klar ist.

Der Kosovo hat sich für unabhängig erklärt - die Staaten, die damals Serbien bombardierten hatten, haben zum größten Teil den Kosovo anerkannt. Einige Staaten schlossen sich diesem Bund an. Der Großteil bleibt ablehndend, wie 1999.

In einem Blogartikel so einen Konflikt zu beschreiben und analysieren erscheint mir als unmöglich, dennoch muss man einige Dinge Revue passieren lassen, ohne bei Adam und Eva anzufangen. Also fange ich nicht bei Tito oder dem osmanischen Reich an und lasse viele Aspekte und Faktoren aus, wie Wirtschaft oder Demographie, die eine wichtige Rolle in diesem Konflikt spielen.

Ende der 90er berichteten serbische/jugoslawische Medien des Öfteren von einer terroristischen Untergrundgruppe der Kosovoalbaner, namens "UCK"- die Kosovo Befreiungsarmee und Razzien gegen diese. Wie viele westlichen Medien hielt ich das für Propaganda Milosevics.

Danach kamen Berichte über Angriffe auf Flüchtlingslager (serbische Flüchtlinge aus Kroatien) oder auf Roma-Siedlungen. Hier wurde darüber nicht berichtet. (Hätte man es getan, wäre das Argument nach dem Krieg, dass die Roma oder Juden Ziele des albanischen Hasses sind, weil diese während des Kosovokrieges die Serben unterstützt hatten, haltlos geworden).

Der Weg Ibrahim Rugovas, bis dahin zweifellos charismatischte Führer der Kosovoalbaner, wurde verlassen. Der Weg, der durch gewaltfreien Widerstandes und massiven Geburtenanstiegs (Die Einwohnerzahl des Kosovo hat sich von 1981 zu 1999 verdoppelt! Mehr als die Hälfte der Bevölkerung heute ist jünger als 25 Jahre, d.h. es gab diese Menschen vor 1984 nicht.) den Kosovo in die Unabhängigkeit von Serbien führen sollte. Es war die Zeit der UCK gekommen.

Der UCK, die von den USA offiziell so eingestuft worden ist:

In 1998, the U.S. State Department listed the KLA as a terrorist organization. President Bill Clinton's special envoy to the Balkans, Robert Gelbard, described the KLA as, "without any questions, a terrorist group." KLA is also present in the MIPT Terrorism Knowledge Baselist of terrorist groups, and is listed as a terrorist organization by the National Consortium for the Study of Terrorism and Responses from the Homeland Security.

Quelle: Wikipedia

Der Konflikt zwischen den serbischen Polizeikräften und der UCK spitzte sich 1998 zu. Das war auch das Jahr, in dem die NATO begann eine risige Flugzeugarmada um das Mittelmeer zu stationieren. Es war auch das Jahr in dem mir keiner glaubte, dass die NATO ihre Flugzeuge einsetzen wird. Übrigens ist das auch einer der Gründe für diese Blog. Ich sagte nämlich 1998 dass es einen Zwischenfall geben wird und danach ein Ultimatum an Milosevic. Es kam so. Und deswegen der Blog. Es war auch das Jahr, in dem Blair und Clinton immer wieder Husseins Irak bombardiert hatten. Daran erinnert man sich nicht. Aber keiner hat wirklich protestiert. Wer wollte schon Hussein verteidigen. Auf jeden Fall - niemand setzt so eine gigantische Militärmaschinerie in Gang und benutzt sie nicht. Frei nach dem Film "Kurz und Schmerzlos" von Fatih Akin: "Du hast einen Döner in der Hand, du isst ihn. Du hast eine Blondine im Bett, du ***** sie. Du hast eine Knarre in der Hand, du benutzt sie!"

Es folgten im Januar - März 1999 Verhandlungen in Rambouillet. Und es gab von Frau Albright, Außenministerin der USA, eine klare Anweisung: Falls Serbien/Jugoslawien diesen vorgefertigten Vertrag nicht unterzeichnet, fliegen die Bomber los. Falls die Albaner es nicht tun - da kann man eben nichts machen.

Der Vertrag hatten einen politischen und militärischen Part.
Kurz gesagt:
Politisch: Weitgehende Autonomie der Kosovoalbaner in Serbien bzw. des Kosovo in Serbien
Militärisch: Sicherung des Vetrages durch eine natogeführte Friedenstruppe.

Die Kosovoalbaner wollten den militärischen Teil akzeptieren, die Serben den politischen. Beim militärischen hatte die serbische Führung ein Problem: und zwar nicht die Stationierung, sondern die Immunität der NATO-Soldaten in ganz Serbien (nicht nur Kosovo) und die Möglichkeit Serbien "umherzumaschieren und stationieren", wie es dem Bündnis gerade recht war.

Beide Parteien akzeptierten den Vertrag nicht, trotz des Angebot von Frau Albright an die Kosovoalbaner.

Es wurde beschlossen noch einmal zu verhandelnd und die Kosovoalbaner zu überzeugen, dass die Serben den Vertrag niemals unterzeichnen werden und sie keine Angst wegen des politischen Parts haben müssen. Der Vertrag wurde schließlich unterzeichnet, wobei der russische Unterhändler aus Protest dieser Zeremonie fernblieb.

Es gab also das Ultimatum an Serbien: Friss oder stirb. Milosevic hatte sich fürs Letztere entschieden. Über die Abwendung einer humanitären Katastrophe (massenhafte Flucht / Vertreibung der Bewohner des Kosovo. Ethnisch war die Zusammensetzung der Flüchtlinge / Vertriebene, wie die ethnische Zusammensetzung im Kosovo.) war damals nicht die Rede. Das kam erst, nachdem die ersten Bomben fielen und Tage später die ersten Flüchtlinge an der Grenze zu Makedonien oder Albanien auftauchten. Der erste Kommentar eines Journalisten, den ich damals gehört hatte, war, dass Milosevic damit einmal mehr die Welt vorführen möchte: nach dem Motto - ihr bombt, also werde ich vertreiben. Erst dann fiel einigen PR-Leuten auf, dass das ein besserer Grund zum bomben ist, als ein Nichtunterschriebenes Stück Papier.

Militärisch gesehen wurde sehr durch das Bombardement wenig erreicht, vor allem im Kosovo. Ich glaube nur etwas mehr als ein Dutzend Panzer wurden dadurch unschädlich gemacht.

Aufgrund mangelnder nichtbeweglicher militärischer Ziele änderte die NATO ihre Taktik. Den Brgiff "militärisches Ziel" kann man weit fassen.

Schulen, Klöster, Kirchen, TV-Sender, Fabriken, Energiewerke, Kliniken, chinesische Botschaften und Brücken - alles waren potentielle militärische Einrichtungen und somit Ziele. Auch wenn diese am anderen Ende Serbiens waren und von der Opposition regiert worden sind.
Es wurden mehr Bomben abgeworfen, als in den Jahren 1941-45 in Ganzjugoslawien. Das Wort Kollateralschaden ging Dank Jamie Shea in unseren Wortschatz ein.

Nach 78 Tage fand die Aktion ein Ende.

FAZIT:

Nato:
+ jugoslawischer und serbischer Truppenrückzug der Armee und der Polizei
+ Einrichtung einer Natoschutztruppe: KFOR
- Alles unter Aufsicht der UN und der Mission: UNMIK
- Kosovo laut UN-Resolution 1244 Bestandteil Jugoslawiens

Serbien:
+ Alles unter Dach des UN-Sicherheitsrates und der UNMIK
+ Kosovo de jure Bestandteil Serbiens
+ Rückkehr von 999 jugoslawischer Soldaten nach einigen Jahren.
- Juristisch vorläufiger Abzug der eigenen Autorität

Die Luftangriffe, die ohne jegliche Genehmigung der einzigen Autorität, die das jetzige Völkerrecht kennt, die solche Handlungen erlauben kann, endeten durch diese Autorität mit der UN-Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates.

Jugoslawien unter Milosevic ging damals vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Dieser weiste die Klage mit der Begründung ab, dass die Bundesrepublik Jugoslawien zum Zeitpunkt der Angriffe kein Mitglied der UN war und somit die anderen nicht anklagen könne. Der Gerichtshof meinte allerdings weiter, dass die Frage grundsätzlich mehr als interessant wäre.

In den 10 Jahren danach wurden mehr als 250.000 Nichtalbaner aus dem Kosovo vertrieben - er ab keine Intervention.
In den 10 Jahren kam es zu einigen Progromen gegen v.a. die serbisch-slawische, jüdische (Prisitna ist "judenfrei") und Romabevölkerung - ohne Intervention.
In den 10 Jahren wurden mehr als 100 serbischer Kirchen und Klöster zerstört, sehr viele von ihnen Teil des UNESCO-Weltkulturerbes - keine Intervention.
In den 10 Jahren leben Nichtalbaner in Ghettos - beschützt dirch Stacheldraht und Natosoldaten und fahren gepanzert und bewacht zu ihren Schulen oder Gräbern - keine Intervention.
In den 10 Jahren ...
... hat sich das Kosovo für unabhängig erklärt und die Staaten, die damals auf Seiten der UCK kämpften, haben für diese Unabhängigkeit in den letzten 10 Jahren politisch gekämpft.


Heute vor 10 Jahren begann also der Krieg zwischen der NATO und Jugoslawien.

Und seit 10 Jahren wird darüber diskutiert:

Über das Völkerrecht, über humanitäre Interventionen, über Genozide, über Verschwörungstheorien.

Es wird juristisch diskutiert, moralisch, politisch, militärisch und historisch und jeweils mit anderen Agrumenten.

Da all diese Argumente bekannt sind werfe ich ein neues in die Runde. So neu ist es nicht. Wir kennen es aus einem anderen Zusammenhang. Nämlich wenn es um die Intensität der serbischen Kräfte im Kosovo ging oder der russischen in Südosstien.

Es geht um die Verhältnismäßigkeit!

Die Verhältnismäßigkeit der angewandten Mittel.

Es ist immer wertvoll über die Verhältnismäßigkeit auch und vor allem der eigenen Mittel nachzudenken!

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