Mittwoch, April 11, 2007

Die unausprechliche Res Publica

Nationalisten haben die merkwürdige Angewohntheit, die glorifizierte Vergangenheit zu benutzen, um eine glorreichere Zukunft zu erwarten. Die Gegenwart ist oft nicht so gut, weil es da immer eine Gruppe gibt, die stört. Was fällt denen auch ein.

Nationalisten gibt es überall. Klingt merkwürdig, ist aber so. Auch in Polen. Tomasz ist so einer. Tomasz studiert auch in Polen, tummelt sich aber in deutschen Foren rum. Klingt auch komisch, ist aber so. Und auch er glofiziert so einiges. Rzeczpospolita oder Žečpospolita ist das Losungswort. Kling komisch, heißt aber Republik oder frei übersetzt Sache der Öffentlichkeit, wie im Lateinischen das res publica, also auch Republik.

Als ich das neulich einem sehr guten Freund erzählte habe, dass eben die Polen einst ein Großreich hatten - fragte dieser "what?". Kling weiterhin komisch, war aber so und dieser Freund hat durchaus ein fundiertes Allgemeinwissen.

Dann fängt der Onkel einmal an zu erzählen. Die unausprechliche Republik, war eine Adelsrepublik. Das Parlament hieß Sejm, wie auch das heutige in Polen, und soweit ich mich erinnern kann, hatte jeder ein Vetorecht. Das wird oft zur Begrüdung genommen, wieso Polen danach zerschlagen (polnisches Vokabluar) oder geteilt ("Besatzer"vokabular) wurde. Schließlich war es handlungsunfähig und die Preußen, Österreicher und Russen wollten nur helfen. Ahja - die Republik bestand offiziell aus zwei Völkern: Den Litauern und Polen, weil Jagiello (sein richtiger, litauischer Name fällt mir gerade nicht ein) eine polnische prinzessin oder so heiratete. Geboren waren die Jagiellonen, die Herrscher waren in: Litauen, Polen, Böhmen, Ungarn, der heutigen Slowakei, Weißrussland (welche im litauischen Großfrüstentum einen weißrussischen Staat sehen, weil sich dieser als Nachfolger der Kiewer Rus, deren Haupstadt in der heutigen Ukraine liegt, verstanden hat. Komplizierte Geschichte.) Ukraine...

Das Großfürstentum Litauen, das wirklich ein europäischer Flachenstaat und Macht war, gilt als sehr liberal. Wie erwähnt, sah man sich auch als Nachfolger der ostlawischen Kiewer Rus. Das Ostlawische Element war in dieser Reich sehr stark. Nach der Hochzeit gingen diese slawischen Gebiete an das erzkatholische Polen.

Die waren ihren slawischen Brüdern nicht so wohl gesonnen, wie die baltischen Litauer. Die orthodoxe Mehrheit wurde untedrückt. Es wurde zwanghaft versucht, sie zum Katholizismus, also zur einzig richtigen Religion zu führen. Nach christlicher Vorstellung unsinnig, v.a. weil eine Taufe reicht.

Dazu kam die unierte Kirche, eine gute Erfindung, die leute doch noch zum Papst zu bringen. Nicht zu vergessen - die Zwangspolonisierung.... Die Folgen sieht man heute in der Ukraine, die weniger in den berühmten Westen und russischsprechenden Süden/Osten geteilt ist. Kirchlich gesehen ist die Ukraine ein kleiner Balkan. Ich glaube 3 konkurrierende orthodoxe Kirchen (1 ist kanonisch anerkannt), die Unierten und die Katholiken teilen das ukrainische Volk. Denn dort ist der Glaube, nicht wie hier, etwas privates, sondern politisch-öffentliches.

Jo - aber diese Republik war groß, so groß, dass Pilsudski, nach Wiedererlangungen der polnischen Unabhängigkeit in der Zwischenkriegszeit den Traum von einem Polen Intermarium hatte - an der einen Seite die Ostsee, auf der anderen das Schwarze Meer. Es sollte eine Union aus Polen, Litauen, Ukraine und Weißrussland. Ganz gewaltlos ging das nicht. Ahja - und die sowjetischen Kommunisten mussten auch besiegt werden. Irgendwie aber wollten die anderen Völker nicht so. Die Idee scheiterte. Der 2. Weltkrieg begann dann auch.

Tja, irgendwie träumen immer noch Leute von alten Großreichen, ohne zu verstehen, dass mittelalterliche Personenverbände nichts mit heutigen Nationalstaaten zu tun haben. Auch mein Freund Tomasz.

Für ihn ist Polnisch die Sprache der Freiheit, was ihn glauben lässt, dass sich ein litauischer und ukrainischer Student, die in Moskau studieren, sich auf polnisch unterhalten würden, aber nie auf Russisch. Denn dieses ist die Sprache der Unterdrückung, im Gegensatz zur Sprach der Freiheit. Weil Freiheit ein Gut ist, das exportiert werden soll, heißt er auch den Irakkrieg gut. Die Polen haben auch hier Freiheit gebracht. Die Freiheit von Selbstmordattentätern in die Luft gejagt zu werden. Denn lieber das, als Totalitarismus.

Übrigens kennt Tomasz keine Schattenseite in der Geschichte. Diese berühmten dunkle Flecken, denn die Polen seien das einzige große europäische Volk, das kein Blut auf seinen Händen hat. Schwarz-weiß kann Tomasz auch denken. Böse sind die Russen und gut die Amerikaner. Und Broder mag er net. Er sagt zwar nicht Nestbeschmutzer, aber dachte es bestimmt, als er folgenden Artikel von mir zu lesen bekam:

Nestbeschmutzerartikel von Broder

Seine Antwort:

Die meisten Gerechten unter den Völkern sind Polen und dass es fast keine Juden in Polen gibt ist nur eine Sache (oder Volk) schuld.... ein Foto von Auschwitz folgt....
Vielleicht gehörte er auch zu denen, die Broder einen Brief geschrieben haben. Gabs nicht, gibts nicht, alles Lüge.

Nun, meinen Freund habe ich auch in deutschen Foren von weißrussischen und ukrainischen Studenten getroffen. Irgendwie wird er da ausgelacht bzw. man bietet ihn, doch in diese Länder zu reisen, um sich die Realität anzuschauen. Er träumt immer noch von dieser unausprechlichen Republik. Am besten wäre es, wenn alle anderen endlich polnisch reden würden. Denn sie müssten es ja können und gut wäre es auch, ja wieso können sie es denn nicht. Ahja und russisch mag er gar nicht. Am liebsten würde er es in diesen Ländern verbieten. Das geht soweit, dass er polnisch mit seinen "imaginären Landsleuten" redet und sie ihn daraufhin bitten, mit ihnen auf Deutsch, Englisch, Russisch oder ihrer Heimatsprache zu kommunizieren, weil sie polnisch nicht verstehen und auch nicht verstehen wollen.

Irgendwie ist diese Spezies aber auch ziemlich hartnäckig und stur. Denn er weiß, dass er recht hat. Wieso sollte er sich irren. Alle anderen irren sich. Alle anderen fahren als Geisterfahrer aus der unausprechlichen Republik. Sie verstehen nichts.... und er fährt, als einsamer Cowboy, die Freiheit und die Sprache der Freiheit exportierend, Richtung Sonnenuntergang, Richtung der freiheitlichen Republik, Richtung Platons Ideenwelt....

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